Wettlauf um Air Berlin
Auch Formel-1-Star Niki Lauda will Maschinen der insolventen Linie kaufen. Bald müssen Entscheidungen fallen
Hat Air Berlin noch eine Zukunft? Es ist die große Frage, die sich nicht nur Passagiere stellen. Air Berlin stellt sie selbst auf der Internetseite. Antwort: Die Verkaufsverhandlungen seien Erfolg versprechend und könnten „zeitnah finalisiert“ werden. Den Text lesen Kunden seit Tagen – unverändert. Doch die jüngste Kampfansage der Piloten zeigt: Ein reibungsloser Verkauf ist alles andere als sicher. Und an diesem Freitag endet die Bieterfrist.
Wer will Air Berlin kaufen?
Es gibt eine Reihe von Interessenten für die Airline, die seit Jahren rote Zahlen schreibt, aber begehrte Start- und Landerechte hält. Die meisten haben sich nach dem Insolvenzantrag vor vier Wochen gemeldet. Vorstandschef Thomas Winkelmann hatte jedoch schon im Frühjahr die Partnersuche ausgerufen, mindestens seitdem gibt es Gespräche mit der Lufthansa. Der deutsche Marktführer könnte rund 90 der 144 Flugzeuge übernehmen. Verhandelt wird laut Air Berlin mit drei weiteren Airlines. Beobachter nennen unter anderem Easyjet. Auch Condor zieht gemeinsam mit Niki Lauda, dem Ex-Formel-1-Star, ins Rennen. Er ist Gründer und war lange Eigentümer der Air-Berlin-Tochter Niki. Lauda und Condor wollen Berichten zufolge für 38 Maschinen ein Angebot abgeben. Lauda bezifferte es auf 100 Millionen Euro. Interesse angemeldet haben auch der Nürnberger Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl und Ex-EnBW-Chef Utz Claassen. In Berlin hoben eine Spedition und ein Hotelier die Hand. Als Letzter brachte sich der chinesische Betreiber des Flugplatzes Parchim ins Gespräch.
Welche Teile wollen die Investoren?
Etwa die nicht insolvente Tochter Niki, für die Lufthansa schon ein konkretes Angebot abgegeben hat. Die Lufthansa-Tochter Eurowings sucht bereits Piloten, Co-Piloten sowie Flugbegleiter für zusätzliche Flugzeuge. Auch an Langstreckenflugzeugen hat Lufthansa Interesse. 14 ältere Boeing-Jets, die Air Berlin zu hohen Kosten von Tuifly gemietet hat, könnten an den Touristikflieger des Tui-Konzerns zurückfallen. Auch ältere Propeller-Maschinen der Air-Berlin-Tochter LGW stoßen angeblich auf wenig Interesse.
Wie sieht der weitere Zeitplan aus?
„Wir streben eine Lösung im Gläubigerausschuss am 21. September an“, bekräftigte Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann trotz der jüngsten Chaostage. Der Berliner Tagesspiegel berichtet dagegen, die Gläubiger wollen erst am 25. September entscheiden. Die Zeit jedenfalls drängt. Zwar gibt es einen 150-Millionen-Euro-Kredit des Bundes, der bis Ende November reichen soll. Doch nach den zahlreichen Flugausfällen wegen einer Krankheitswelle der Piloten in dieser Woche dürften noch weniger Kunden Flüge buchen.
Was wollen die Gewerkschaften bei Air Berlin erreichen?
Bislang scheint es sehr wahrscheinlich, dass ein großer Teil des fliegenden Personals bei neuen Arbeitgebern unterkommen kann. Umstritten sind aber die künftigen Bedingungen. Einige Berufsgruppen fürchten Einkommensverluste von bis zu 50 Prozent. Verdi und die Vereinigung Cockpit wollen verhindern, dass sich jeder beim neuen Arbeitgeber bewerben muss. Teure, alte oder aufmüpfige Kräfte – so ihre Furcht – könnten aussortiert werden. „Jeder über 50 macht sich Sorgen“, sagt ein Air-Berlin-Pilot. Die Gewerkschaften kritisieren, die potenziellen Käufer interessierten sich nur für das Blech, nicht für die Leute. Mehr als 8000 Air-Berlin-Beschäftigte bangen. Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr hat den Air-Berlinern zwar versprochen, ihre Berufserfahrung zu berücksichtigen, ansonsten aber den Tarifvertrag der Billigtochter Eurowings anzuwenden.
Steckt hinter der Krankheitswelle ein illegaler Streik?
Einiges spricht dafür, dass die Flugausfälle eine gezielte Aktion der Piloten waren. Der Tarifexperte Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft ist davon überzeugt. Ähnliches hat es vor einem Jahr beim Ferienflieger Tuifly gegeben, der in einer Gemeinschaftsfirma mit Etihad und Niki aufgehen sollte. Tuifly gab damals klein bei.
Hat das keine Folgen für die Beteiligten?
Zu beweisen ist ein Streik mithilfe von Krankenzetteln nur sehr schwer, sofern nicht ein schriftlicher Aufruf entdeckt wird – der „rauchende Colt“. Schließlich billigen Arbeitsgerichte ärztlichen Attesten regelmäßig eine hohe Beweiskraft zu. Und welcher Arzt mag einen Piloten flugfähig schreiben, der Unwohlsein äußert? Burkhard Fraune und Christian Ebner, dpa
Die Diskussion ist geschlossen.